5. Jan 2022
Porsche Holding Goes Robotics Wie Bots in unserer Organisation unterstützen können

Seit einigen Jahren setzen auch Porsche Holding und Porsche Informatik verstärkt auf die Automatisierung mit Robotics, in vielen Bereichen sind Bots nicht mehr wegzudenken. Worum geht es dabei? Und wo und wie setzen wir Robotics in unserer Organisation ein?

Lange Zeit zählte zu den Aufgaben der Porsche Bank Sachbearbeiter*innen auch das notwendige, aber äußerst eintönige Urgieren von Vinkulierungen*) – eine Tätigkeit, die im Schnitt 230 mal pro Tag ansteht! Seit Mai 2020 bleibt den Porsche-Bank-Kolleg*innen dieser Motivationskiller erspart: Die Urgenzen erledigt jetzt ein Bot, den wir für die Porsche Bank eingerichtet haben – nur einer von mittlerweile zahlreichen Use Cases für den Einsatz von Robotics in unserer Organisation.

*) Die Einwilligung des Versicherungsnehmers in das Recht, die Auszahlung von Versicherungsleistungen an die Genehmigung durch die Porsche Bank zu koppeln.

Was ist Robotics

Unter Robotics versteht man die Verwendung von Computerprogrammen zur Automatisierung von Aufgaben, die ansonsten von Menschen ausgeführt werden. Diese Computerprogramme nennt man Bots. Bots machen also nichts anderes als Menschen – nur deutlich schneller und – wenn notwendig – rund um die Uhr.

Robotics eignet sich speziell für Prozesse mit folgenden Eigenschaften:

  • eintönig
  • fehleranfällig
  • zeitaufwändig
  • gleichbleibend
  • häufige Wiederholungen
  • lange Lebensdauer
  • Arbeit abnehmen, während es ohnehin stressig ist, z. B. bei der Monatsend-Verarbeitung

Die meisten der derzeit 18 aktiven Bots laufen in der Porsche Bank. Aber auch Porsche Inter Auto, Porsche Austria und die Porsche Holding selbst haben Bots im Einsatz.

Unser technisches Set-up

Für die Entwicklung und den Betrieb von Bots verwendet die Porsche Informatik Automation Anywhere. Die Entwicklung erfolgt mit sogenannten Bot-Creators, die Bots laufen produktiv mit Bot-Runnern.

Die Steuerkonsole ist der Control Room. Hier werden Lizenzen verwaltet, das Scheduling der Bots eingerichtet, Bots ggf. manuell gestartet bzw. gestoppt, Berechtigungen verwaltet, etc. Bots laufen auf virtuellen Clients. Auf einem Client können – wenn sich die Bots nicht in die Quere kommen – mehrere Bots laufen. Diese Bots führen von den Clients aus Aktionen in den relevanten Systemen durch.

Die meisten Bots weisen grundsätzlich dieselbe Struktur auf: Im Control Room wird u. a. festgelegt, in welchem Zeitraum die Bots quasi im Standby laufen. Durch eine Trigger-E-Mail, die von einem Anwender an eine definierte E-Mail-Adresse geschickt wird, wird der Bot gestartet. Als erstes gibt er dem Anwender via E-Mail eine Rückmeldung, dass der Bot loslegt. In der Folge arbeitet der Bot die einzelnen Tätigkeiten ab. Diese können sehr vielseitig sein und betreffen im Regelfall unterschiedliche Systeme.

Oft werden Excel-Listen erstellt oder bearbeitet. Teilweise werden Webseiten geöffnet und Abfragen durchgeführt, es werden Serienbriefe erstellt und via E-Mail versendet. Ein kann Bot auch in Fremdsysteme einsteigen – z. B. für die Abarbeitung von Verkehrstrafen bei Autovermietungen.

An zentralen Punkten gibt der Bot eine Rückmeldung an den Anwender, damit dieser weiß, welche Schritte erfolgreich durchgeführt wurden. Parallel dazu werden Log-Files geschrieben, die im Nachgang eine Auswertung und auch eventuelle Fehlersuche ermöglichen.

Ist die Abarbeitung fertig, schickt der Bot eine letzte Infomail  an den Anwender und begibt sich wieder in den Standby-Modus. Sollte ein Bot abstürzen, wird in vielen Fällen automatisch ein Support-Ticket erstellt, das von unseren Robotics-Kollegen bearbeitet wird.

Was bringt Robotics

Nicht bei jedem Prozess ist eine Automatisierung sinnvoll. Die Sinnhaftigkeit eines Bots lässt sich am besten in einer Formel ausdrücken. Die so ermittelte Kennziffer soll möglichst hoch sein:

Unsere „Formel“ zur Rentabilität von Bots

 

Das bedeutet:

möglichst hoch sollte sein: möglichst niedrig sollte sein:
SB Strategische Bedeutung EA Entwicklungsaufwand
EKS Erleichterung in kritischer Situation AN Aufwand für Anpassungen ​​​​​​​(bei Änderungen)
ZE Zeitersparnis WA Wartungsaufwand
LD Lebensdauer KR Kritikalität
WV Wiederverwendbarkeit
BS Anzahl betroffener Systeme

Bots mit hoher Kennziffer sind für das Unternehmen wichtiger (und im Regelfall auch ertragreicher) als Bots mit niedriger Kennziffer. Da sich allerdings nicht alle Parameter in Geld ausdrücken lassen, kann kein direkter Rückschluss auf die finanzielle Einsparung eines Bots gezogen werden. Grundsätzlich soll man Bots entwickeln, die sich – bezogen auf Entwicklungs-Aufwand und ersparter Arbeit – innerhalb eines halben Jahres amortisieren. Wir haben Bots im Einsatz, die pro Jahr über 1000 Stunden Arbeit ersparen.

Diese Schätzungen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Einerseits liegen solchen Zahlen hochgerechnete Schätzungen von manuell ausgeführten Tätigkeiten zu Grunde (die eine gewisse Unschärfe haben), andererseits ist die reine Zeitersparnis nur EIN Parameter. Werden Mitarbeiter*innen von stupiden Routine-Tätigkeiten befreit, erhöht das die Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit, was in die Rentabilität von Bots allerdings nicht mit eingerechnet wird.

Segen oder Fluch?

Roboter, die selbständig Tätigkeiten durchführen, bereiten einigen Menschen Unbehagen. Und so gibt es auch einige Vorbehalte beim Thema Robotics – hier gehe ich auf die häufigsten ein:

  • „Bots vernichten Arbeitsplätze.“
    Bots ersetzen vor allem stupide Arbeit, das heißt, sie entlasten Mitarbeiter*innen.
  • „Bots sind riskant, weil sie selbständig in Systemen arbeiten.“
    Jeder Bot ist so gut wie die Vorgabe und die Umsetzung. Wir achten sehr genau darauf, dass wir völlig „wasserdichte“ Vorgaben bekommen, und hinterfragen diese auch immer wieder mal.
  • „Bots müssen ständig angepasst werden, weil sich die GUI immer wieder ändert.“
    Teilweise richtig. Gute Entwickler greifen aber nach Möglichkeit nicht die GUI ab. Ihre Bots sind somit wesentlich robuster, als man annehmen möchte.
  • „Bots sind sehr sensibel in Bezug auf Systemupdates.“
    Grundsätzlich ja – deshalb sollten Updates geplant und vorab getestet werden.
  • „Bots haben einen hohen Wartungsaufwand.“
    Grundsätzlich ja – der Wartungsaufwand ist in der Tat deutlich höher als bei „normaler“ Software. Bei uns wird jeder Fehler genau analysiert und nachhaltig behoben. Die Bots werden somit durch jeden Fehler robuster.
  • „Bots sind nicht flexibel, weil sie nur nach einem starren Schema ablaufen können.“
    Richtig – genau dafür sind Bots da. Bots fallen nicht unter KI. Bots sollen genau das machen, wofür sie programmiert sind. Bots sind keine selbst lernenden Systeme.

Die Grenzen der Automatisierung

Auch wenn es deutlich mehr Einsatzmöglichkeiten für Robotics gibt, als man meinen möchte, gibt es natürlich auch Grenzen. Diese liegen insbesondere dort, wo Intelligenz notwendig ist, die sich in Form von Bots nicht abbilden lässt. Ein Bot wird eine Fachkraft, die sich im Laufe der Jahre Wissen angeeignet hat, nie ersetzen können. Ein Bot wird eine solche Fachkraft aber freispielen können, damit sie sich der Arbeit widmen kann, die sie als Fachkraft ausmacht.

Hartmut Dörschlag

ist seit 2014 bei uns. Er begann als Product Owner für unser Dealer-Management-System CROSS. 2017 wechselte er als Entwickler und Berater ins SAP-Team. Seit 2019 arbeitet er zusätzlich als Projektleiter im Robotics-Team der Porsche Informatik.